Farman
Status:
User
Mitglied seit: 31.10.07
Ort: Köln
Beiträge: 634
|
|
|
>Ohne dass ich ihn selbst schon gesehen hätte: das ist ja hochinteressant. Ich habe nämlich vor kurzem einer Diskussion beigewohnt, in deren Verlauf so ziemlich das Gegenteil behauptet wurde insofern, als dass die zynischen, spielerischen und postmodernen Elemente vielmehr der Störfaktor waren und eben nicht die Ernsthaftigkeit, die "No Country for Old Men" angeblich gar hätte zeitlos machen können.
Ist ne schwierige Sache, das genau zu beurteilen. Die "humoristischen Elemente", wie immer bei den Coens eigentlich die gesamte absurde Handlung, sind imo im Gegensatz zu früher eher relativ direkt in den filmischen Diskurs und das "Gesamtthema", das heißt den vermeintlichen Anlass hinter der Geschichte und seinen Bildern, eingebunden und stehen dem nicht als Fremdkörper gegenüber, wie das bspw. bei Blood Simple oder Fargo noch der Fall war. "No Country for Old Men" hat nicht diesen Verfremdungseffekt, der uns Coen-typisch immer ein Bewusstsein über die Absurdität des gerade Gesehenen gibt, bzw. er hat ihn nur halbwegs. Und da liegt im Vergleich gerade zu Lichtblicken ihres Frühwerks der Hund begraben: In seiner direkten Pointiertheit wirkt der Film in Schlüsselsequenzen weder tragisch noch sarkastisch, sondern leer. Und Javier Bardem ist trotz seiner tollen Leistung der uninteressanteste Charakter der Geschichte und ist zumeist der (hohle) Fokus des Films, Tommy Lee Jones hingegen ist so wunderbar, dass gerade er es hätte sein müssen, der dem Film über sein Anliegen hinaus die Reichhaltigkeit und Ambivalenz gibt, die der Film sich wünscht. Kurz: Der Film ist in seiner Durchdachtheit zu durchschaubar, um mich wirklich zu verstören oder zu bewegen.
>Aber die Coens, so lautete der Vorwurf, seien letztendlich nicht konsequent genug gewesen, um sich selbst genug weiterzuentwickeln, die eigenen Wurzeln abzustreifen. Sie hätten ihrem eigenen Stoff nicht vertraut und sich doch wieder in das alte Muster zurückgezogen, sozusagen "Filmtheorie" zu betreiben.
Einen solchen Vorwurf halte ich für amateurhaft, ohne zu wissen von wem er stammt (das entschuldigt hoffentlich die Wortwahl). Dasselbe kann man auch Leones "Spiel mir das Lied vom Tod" vorwerfen, der ab der ersten Sekunde die Manieriertheit und Besessenheit seines Regisseurs zeigt, der so ziemlich genau John Fords "My Darling Clementine" neu verfilmt und ihn in Filmtheorie verwandelt. Ein solcher Vorwurf hat die Annahme zur Grundlage, ein theoretischer Diskurs über das Medium und eine Art ständiger "Verweis" des Gegenstandes auf ein Theoriegebilde außer sich selbst sei der Wahrhaftigkeit des Inhaltes schädlich. Wenn man die texanische Landschaft in "No Country for Old Men" sieht, dann ist das erstmal nur die texanische Landschaft, nebenbei und in dem Wechselspiel zwischen Stadt und Landschaft in dem Film entsteht aber die Assoziation mit unzähligen anderen Filmen, und das ist gut so. Die Coens wissen halt nur, dass sie nicht die ersten sind, die diese Landschaft gefilmt haben und eine solche Geschichte erzählen.
>Als aktuelles Gegenbeispiel wurde folgerichtig "There Will Be Blood" eingeworfen, der ja gegen den Coen-Film das Rennen um den Oscar verloren hatte.
Auf den bin ich auch gespannt, erwarte allerdings überhaupt nichts (sicherheitshalber). Paul Thomas Anderson filmt seine Schauspieler meist mit so einem unsubtilen Gespür für "Great Acting", dass das in Zusammenhang mit Daniel Day-Lewis ziemlich nervenaufreibend sein kann.
>Ich bin jedenfalls auf beide Filme gespannt, muss aber zugeben, durch die Stimmen im Vorfeld habe ich meine Erwartungen an "No Country For Old Men" etwas gesenkt, nachdem einem ganz anfangs noch suggeriert wurde, die Coens hätten ein Meisterstück abgeliefert.
Ich war ja bereits skeptisch nach dem Oscarregen. Aber von Enttäuschung kann und will ich nicht sprechen, der Film ist gut.
__________________ Ich vermag natürlich besser zu dichten, als wie's hier geschieht. Ich spare mich für später auf. |
|