Farman
Status:
User
Mitglied seit: 31.10.07
Ort: Köln
Beiträge: 634
|
|
|
Den neuen Coen-Film verpasst wegen dem scheißstau vorm Cinedom, dann war das die naheliegendste Alternative, denn den Baader-Meinhof-Komplex tu ich mir im Kino ganz sicher nicht an.
Nun ja. Definitiv ein Film, zu dem man ne Meinung haben muss, und das ist schon mal ätzend wenn man gerade nicht drauf vorbereitet war. Eine solche Reizüberflutung von erschlagender Relevanz hab ich lange nicht mehr gesehen, und da fühlt man sich gleich mies wenn man nicht seinerseits im ebenfalls "relevanten" Style darauf reagiert und bloß die Schultern zuckt. Bei mir jedenfalls ists so. Aber ich staune sowieso ständig Bauklötze wie man einen solchen Film als "Unterhaltung" abtut, wo er für einen Blinden ersichtlich doch so klar und deutlich mehr sein will, und den klitzekleinen Bereich zwischen seinem Schädel, der die Dinge mal anders als "unterhaltsam" wahrnimmt, ruhigen Gewissens wie sein Handy auf Lautlos stellt.
Das Erste, was festzustellen ist: Das Hollywood-Blockbusterkino macht ernst mit der gefilmten Apokalypse. Auch den schulterzuckendsten Zeitgenossen wird die 9/11-Brille aufgelegt. Entweder 9/11-Brille oder Kulturhölle im "Crank"-Style, den eleganten Mittelweg scheints lange nicht mehr zu geben. Man vergleiche den pre 9/11-"Independence Day" mit dem post 9/11-"War of the Worlds" und man hat die ganze Entwicklung vor Augen. Eine Entwicklung, die dazu geführt hat, dass Scorsese seinen ersten Oscar kriegt und im Jahr darauf die Coens ihren (jeweils mit ihren ersten wirklichen "Blockbustern", weil sie da mitspielen müssen und das Feld nicht den Comicverfilmungen überlassen wollen.
Aber "Dark Knight" ist definitiv der apokalyptischste Reiter dieses neuen Trecks. Es ging das ein oder andere Mal so weit, dass ich mich gefragt hab, womit ich mich hier eigentlich "unterhalte" und ob wir uns alle zusammen mit dem Film nicht da in irgendwas reinsteigern. Denn hier liegt das wesentliche Problem: Wollen wir so weit gehen und will der Film das? Und: Wenn wir so weit gehen, müssen wir da nicht erstmal am erreichten Punkt für ne Weile stehenbleiben und die Konsequenzen ziehen? Tut der Film das?
Wenn ja, dann müsste der Film zwischenzeitlich aufhören, wie ein Blockbuster zu funktionieren, sich selbst auf überzeugende Art und Weise verneinen und dadurch über sich hinauswachsen. Er müsste unvorhersehbar werden, uns vielleicht damit ärgern, dass wir ihn nicht mehr durchschauen können, denn nur dann ist es möglich, dass durch das Gezeigte (und das ist, egal ob Comicverfilmung oder nicht, harter Stoff für einen jeden sensiblen und denkenden Zeitgenossen) wirklich etwas in uns geregt wird. Das passiert nicht.
Diese ganze erschreckende Debatte über die Frage, ob man ein Flugzeug abschießen darf, wenn es in ein Gebäude reinfliegen wird, ist beispielsweise in diesem Film hineingewurstet (für alle die's nicht erkennen (Achtung Spoiler!): Die zwei Schiffe). Den politischen Inhalt und den politischen Gehalt des Filmes anhand einer Aufzählung der ganzen mehr oder weniger "versteckten" Verweise zu besprechen, dauert lange, da es derer ca. ne millionen gibt. Aber Verweise ergeben keine scharfsinnige Vision.
Die Comicverfilmung ist so etwas wie der moderne Western der letzten knapp 10 Jahre: Eine mythologische Aufarbeitung der (amerikanischen) Gegenwart, eine große Ekstase bedeutungsschwangerer Unterhaltung. Unter den gelungenen Western gibt es den Typ "Rio Bravo", der dich in seine widersprüchliche Welt einfach hineinsaugt, dich mit seiner immensen psychologischen Tiefe nicht erschlagen will, der keinen Widerspruch zwischen Unterhaltung und Relevanz sieht. Dann gibt es den Typ "The Wild Bunch", der dich an die Gurgel packt, dir in die Eier tritt und von dir verlangt, zu reagieren. Beiden Filmen ist gemein, dass sie irgendwann darüber hinausgehen, ein "moralisches Problem" einfach als "moralisches Problem" anzuerkennen, sondern sie wenden sich lieber den Menschen zu, die diese Probleme haben: Ob nun so ein Schönling wie Dean Martin oder so ein charismatischer Dreckskerl wie Ernest Borgnine, durch sie kommt das ganze erst zum Leben.
Aber Batman ist vielleicht ein cooler Batman, ein sensibler Batman, ein trauriger Batman, die entsprechend plumpen Dialogzeilen werden ihm zum Identifizieren seines Seelenzustandes ja wie im primitivsten Theater in den Mund gelegt, aber er ist absolut nie und nimmer der Träger von solch universellen moralischen Problemen und schon gar nicht denjenigen von den USA oder unserer Welt oder sonstwem der heutigen Zeit. Kommen wir gleich zum Joker: Ich halte es für den Gipfel heutiger "Sehgewohnheiten", Heath Ledger für besser zu halten als Jack Nicholson. Ja, er ist ne ganze Ecke böser und macht ne ganze Menge cooler Dinge wie ein Krankenhaus in die Luft jagen im Krankenschwesterkostüm (mann mann mann, das ist aber DAS IRRATIONALE!! DAS CHAOS!!) und so'n Zeugs. Aber Ledgers Leistung ist nichts im Vergleich zu Nicholsons. Nicholsons Blick in die Kamera macht die Kamera zu seinem Gefährten, er bestimmt selbst, er kreiert eine Figur. Ledger ist vorhersehbar und wenn einen was erschreckt, dann ist es der Plot.
"Dark Knight" nimmt sich bei all seinen Qualitäten einem wichtigen Thema an mit den Mitteln des Blockbusters und leider nicht mit den Mitteln des Kinos. Kein Charakter ist je mehr als das, was er selbst über sich sagt, und keine Szene ist je mehr als das, was sie augenscheinlich ist (Chaos ist Chaos ist Chaos, das Böse ist das Böse ist...). Er geht weit für einen Blockbuster, aber lange nicht weit genug, um ein Kunstwerk zu sein. Und falls mir jemand unterstellt, ich verwende da die falschen Kriterien und zu hohe Erwartungen, sollte er sich die Frage stellen, was der Film selbst an sich für Erwartungen stellt und was richtige Kriterien sind.
Fazit: Der neuen Welle von Bedeutungsschwangerkeit aus Hollywood sollte man ambivalent entgegenstehen.
(Diese Nachricht wurde von Farman am 02.10.2008 01:54 editiert.)
__________________ Ich vermag natürlich besser zu dichten, als wie's hier geschieht. Ich spare mich für später auf. |
|