Antwort auf: Re:Gegen die Wand von Overcrook

Farman
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>Wie wär's mit ein paar Worten zum eigentlichen Film ?

hmmm.... was soll ich da nur schreiben ohne allzuviel zu texten?

Kurz: Es geht um ein junges türkisches Mädchen, das mit einem türkischen Typen mittleren Alters eine Scheinehe beginnt, um sich im Rücken ihrer altmodischen Eltern und ihres brutalen Bruders von soviel Typen stechen zu lassen, wie es ihr gerade nach Lust und Laune beliebt. Beide haben gemeinsam, dass sie sich mehrfach das Leben nehmen wollten, sie wegen ihrer unerträglichen Sippe und er wegen seiner Frau, die ihn verlassen hat.

Und "wovon der Film handelt", oder "worum es geht", ist in dieser kurzen Inhaltsangabe bereits vorhanden, bzw. in Verbindung mit der Fantasie des Lesers um einiges tiefgründiger als der eigentliche Film. Muss man ja nicht erklären, diese Themen werden in jeder Nachmittags-Talkshow umrissen.
Was man dann aber sieht, ist so dermaßen schlecht, dass man darüber eigentlich nicht mal was schreiben kann. Ich hab noch kein Projekt der Mittelstufe gesehen, das so verlogen und dämlich war. Was mich aber komplett vom Stand weggeblasen hat sind diese miserablen deutschen Kritiker, und nicht etwa die langweiligen Flaschen von filmstarts, sondern diese abgehobenen Feuilletonheinis. Da reden die von "echtem" Schauspiel, bloß weil einige talentfreie Menschen den Mut dazu gefunden haben, sich vor der Kamera auszuziehen,  hin und wieder wild rumzuschreien und sich zum Affen zu machen. Unterstrichen wird der Kitschalptraum von wilden Schnitten und Pseudovideoclipästhetik und man hat was ganz ungenießbares. Das ist so, wie wenn Bushido rappt "Ey, kannst du das Ghetto sehen? KANNST DU ES SEHEN?" und irgendwelche Krawattenheinis dann sagen würden, "Ja, der ist durchaus sozialkritisch!".
Der Film hat das Niveau von einer Folge "Klinik unter Palmen", nur den Unterschied, dass es anscheinend um was wichtiges geht. Von daher habe ich für einen solchen Film viel mehr tiefste Verachtung übrig als für fast jede schlechte Fernsehsendung. Man erfährt einen feuchten Dreck darüber, wie es einer türkischen Frau in Deutschland vielleicht gehen könnte, warum alte Spinner so ticken wie sie ticken, woher Vorurteile vielleicht kommen könnten, inwiefern eine türkische Familie uns etwas über viele türkische Familien sagen kann. Warum will sie überhaupt "ficken! und das nicht nur mit einem Mann!" anstatt einen langweiligen türkischen Patriarchen zu heiraten und ein Korangerechtes Leben zu führen? Wenn ich echte Charaktere haben will darf ich auch das selbstverständlichste nicht so einfach annehmen.

Das Perverse, das, was mich absolut in Fahrt bringt, ist das, was der ein oder andere Chinephile anscheinend unter "Kunst" versteht: Nacktszenen bedeuten gleich abgefilmte seelische Nacktheit, rumschreien mit vielen Swearwords und fucks per minute a la Scorsese ist Realismus, schnelle Schnitte untermalt mit dröhnender Drecksmucke heißt "Energie", ein Typ der für seine Rolle scheiße aussieht ist gleich ein guter Schauspieler...
Ich weiß, das Filme Geschmackssache sind, aber die Erkenntnis, in einer Zeit der Falschheit zu leben drückt einem schon auf den Magen. Leute (z.B. Regisseure), die zur Ausnahme mal die Wahrheit sagen, haben es schwerer, wenn jemand wie Fatih Akin für seine Scheiße einen Preis bekommt und keiner erklären kann, was genau an diesem Film eigentlich gut ist. Als ich im anderen Post "Dark Knight" kritisiert habe, waren das immer noch Zweifel auf hohem Niveau, das hier ist voll ausgelebter Hass.

(Diese Nachricht wurde von Farman am 06.10.2008 05:40 editiert.)

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Ich vermag natürlich besser zu dichten, als wie's hier geschieht. Ich spare mich für später auf.
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