Antwort auf: Re:Computec übernimmt 4Players von Fohlenfan77

hb
Status: User
Mitglied seit: 20.10.07
Ort: Keller
Beiträge: 3042
Netzwerke:


>Vielleicht hatte man noch die Hoffnung, dass Print eine Chance hat und Online nur "nebenbei" läuft.

Möglich. Ich frage mich an der Stelle einfach, ob Computec jetzt umschwenkt und die Ressourcen anders verteilt. Obwohl in Sachen Print kam ja zuletzt auch nichts. Man hat ja eher alles daran gesetzt, um Heftkäufer zu verschrecken.

>Ich denke schon, dass die Zahlen deutlich angestiegen sind. Ich denke, dass viele Publisher mittlerweile sogar voll auf Onlinemarketing setzen.

Ja, aber eine Goldgrube kann das auch nicht sein. Auch wenn der stolze Onliner es so verkaufen will. Die Großen (Gockel und das Fressenbuch) fressen doch mit undurchsichtigen Geschäftspraktiken alles auf. Sonst würde Springer nicht derart auf das Leistungsschutzrecht pochen. Was übrigens meiner Meinung nach nur ein Eigentor werden kann. Mir wär's sogar ganz recht, wenn die aus der Suchmaschine fliegen und ich den Boulevard nicht an erster Stelle präsentiert bekäme.

>Der war gut... Nix für ungut, aber in der Praxis ist das einfach nicht möglich immer faire und unabhängige Wertungen zu geben - gerade in einer solchen Branche! In diesem Bereich ist der Druck der Publisher einfach zu hoch: Liegt die Wertung nicht bei +80% droht der Publisher ganz einfach mit der Kürzung von Anzeigen - egal ob Print oder Web. Irgendeiner findet sich immer, der die Wunschwertung hintestet und das Werbebudget (plus Gewinnspiel als Goodie) einsackt.

Ich wollte mehr darauf hinaus, daß man innerhalb eines Verlages sich durchaus unterschiedlich positionieren kann mit verschiedenen Seiten. Auf Schreiberseite braucht es dann unterschiedliche Charaktere und starke Meinungen. Aber das ist dann eine Kostenfrage. Mit Einheitsredaktion wird das nichts. Und daß der äußere Druck da ist, klar. Es wird sicher auch immer Ausbrecher geben, die sich beugen, um mit Traumwertungen ein zeitweises Exklusivrecht und damit erhoffte Klick- oder Lesersteigerung reinzuholen. Also daß die komplette Branche sauber sein kann, glaube ich ohnehin nicht. Aber...

>Aber EA drohte mit Budgetkürzungen und gelobte Besserung zum Release. Am Ende wurden die Patzer in kleinen Kasten abgefertigt und das Spiel bekam 83%. Einen Monat später, als die Retailversion erschienen war, sogar noch 85% (obwohl es immer noch passieren konnte, dass die Umgebung plözlich verschwand).

... damit hätte ich nicht gerechnet. Vielleicht bei einem unerfahrenen Hersteller, für den mit einem Projekt unheimlich viel auf dem Spiel steht. Ich glaube dir, daß sowas gängige Praxis ist. 4Players hat in der Richtung ja vor einiger Zeit eine kleine Gegenoffensive gestartet. Die Krux ist wohl dieser selbstauferlegte Zeitdruck auf beiden Seiten. Anstatt fertige Spiele und vorab auch fertige Testmuster anzubieten, windet man sich durch mit allen Tricks, was auf Prüfseite dann dazu führt, daß man fürchtet, später als die Konkurrenz dran zu sein, wenn man länger wartet. In dem Bereich müßte es mehr Solidarität geben. So eine Art Kodex, daß man nur das bewertet, was man in der Hand hält. Und nicht das, was einem versprochen wird.

Daß man damit schnell auf die Schnauze fällt, ist klar. Und welches höhere Gut hat Journalismus als Glaubwürdigkeit? Ich denke, die Diskrepanz zwischen Komplexität der Spiele und Aktualitätssucht hat über die Jahre verteilt ihre Spuren bei den Magazinlesern hinterlassen. Negativbeispiele bleiben seltsamerweise besser in Erinnerung und so wird dann ein Teil des Vertrauens einfach verschwunden sein. Vielleicht erscheint vielen Leuten Online-Publikationen als glaubwürdiger, weil nicht ein großer und etwas schwerfälliger Apparat dran hängt. Also man ist ja spielend selbst schnell Autor seines eigenen Blogs, ohne beeinflußt zu werden. Deshalb eventuell ein Rückschluß, daß es bei Online-Redaktionen genauso sein wird. Wenn sich ein Qualitätsjournalismus quer durchs Netz fest in den Köpfen verankert, wird er aber früher oder später auf die gleichen Probleme stoßen. So erst kürzlich geschehen und thematisch äußerst interessant:

[http://derstandard.at/1350259660548/Doritogate-Sind-Videospieljournalisten-glaubwuerdig]

Also die Krise wird von Print auf Online überschwappen. Dort kann man womöglicher flexibler darauf reagieren und die Konsequenzen sind nicht ganz so drastisch wie bei einer Verlagspleite.

Ich denke, die Leser sind aber jetzt schon müde in Bezug auf Wertungen und bilden sich gerne selber eine Meinung. Diese Let's-plays sehe ich im Augenblick laufend aus dem Boden schießen. Deshalb ist die Printkrise auch eine Glaubwürdigkeitskrise und somit eine Journalismuskrise. Man sollte sich einfach von dem Gedanken des überinstanzlichen Prüfungssystems verabschieden, weniger analytisch zu Werke gehen und keine Objektivität versprechen, wo es ohnehin keine geben kann. Macht man das auf schreibender und lesender Seite, ist der Weg frei für ehrliche Meinungen mit weniger Druck von außerhalb. Und frei für vielfältigere Beiträge zur Meinungsbildung.

__________________
Schnupper Chauvinimus, Bösewicht!
Auf diesen Beitrag antworten